13.1.2006, Holz, Knochen & Horn, Trutenfedern & Textilien, Papier, H 41cm, B 14cm
Ich gestehe: wenn ich vom Tod und dem «Mädchen» rede, denke ich an eine geschlechtsreife, ja: verführerische junge Frau. Ob im «Erlkönig» der Vater ein hübsches junges Mädchen oder seinen Jungen im Arm hält auf seinem wilden Ritte durch die Nacht, läßt der Autor offen. Auch da tritt der Tod an die Jugend heran, aber es ist ganz offensichtlich ein Kind unterwegs im Sattel.
Denkbar, daß Frauen beim Thema von «Tod & Mädchen» an ein herziges, blühendes junges Mädchen denken. Lockige Haare, fragende Augen, so richtig zum vernudeln. Vielleicht sogar noch in der intellektuellen Unschuld vor dem Kindergarten und seinen ersten pädagogischen Deformationen aufs kindliche Gemüte. Vielleicht mit einem herzigen Büsi im Arm, vielleicht einem Blumenkränzlein im Haar, einem pink Röcklein, vielleicht?
Die testosterongejagte Männerwelt allerdings wird innert Bruchteilen von Sekunden eine potentielle Gespielin, ein reizendes Lustobjekt vor das geistige Auge rufen: knackige Brüste und umwaldete Jadepforten, Verführung, Eroberung und Defloration sind die Gedankensprünge. «Die wäre eine Sünde wert». "Ablaichparcours". In Phasen geringeren Kesseldruckes wird das Mädchen auch dastehen als zukünftige Mutter, als Erhalterin der Art, als Erzieherin und Heilerin, als Symbol der Zukunft und des Überlebens schlichtweg.
Das Thema von «Tod & Mädchen» ist nichts anderes als eine explosive Mischung von Schmerz des eigenen Todes und entgangener Lust!
Bitte, das ist kollektives Gebaren der Männerhirne. Immerhin zielt nicht nur die ganze Werbung für typische Männerkonsumprodukte darauf hin ab. Mit einem Mädchenkonterfei, «spicy, juicy, sexy», lassen sich Rasierklingen und Autopneus wesentlich geschmeidiger verkaufen.
Fast alle meine Bilder stammen aus den bei meinen Töchtern beliebten bunten Ausgaben von «Gala», «InStyle», «Elle», «Glamour» und «Jolie». Offenbar wird hier die Gegenseite der männlichen Phantasie vorgespielt: «Mach Dich so schön, daß Dich die Männerwelt begehrt!» Und das Mädchen spielt mit … und tummelt sich mit seinem Schönheitsbudget auf einem Multimilliardenmarkte.
Platt ist in dieser Bilderwelt die Psychologie. Zwar wird da mit Märchenmotiven geworben, steigt das Aschenbrödel eine romantische Turmtreppe hoch oder reitet einen bezaubernden Schimmel. Aber der Appell ist bieder und direkt: «Gib Deine Kohle für mein kosmetisches Produkt aus, ich mache Dich zur Schönsten im ganzen Land». So fehlen selbst in Modeheften für die erwachsene Frau ältere, vom Leben würdig gezeichnete und lebensdurchfurchte Gesichter. Kein erhabener Bogen ist es, der die transzendente Figur der Frau in die Trilogie der weißen – roten – schwarzen Madonna stellt. Dem unschuldigen jungen Mädchen würde die große Mutter, die harte Nehmerin, die Feurige gegenüber gestellt und als Coda erscheint die weise Alte, die Versöhnerin, die Heilerin.
Auf mich wirken freilich auch Männer mit gefärbtem Haupthaar immer lächerlich. Aber die Damenwelt orientiert sich offenbar mit dem ganz breiten Band der Kosmetik und ihren angewandten Künsten der plastischen Chirurgie am Idealbild des attraktiven, ja verführerischen Mädchens, das den Mann anziehen will. Oder seine Machtaura. Oder seinen Geldbeutel. So frägt der Goldschmied: «Ist es für Ihre Frau oder darf es etwas Rechtes sein?» Ein Spruch illustriert alles: "Men, Coffee, Chocolate - the richer, the better"!!!
Trotzdem, meine Herren: es gibt ein Leben vor dem Tode!
Zum Auftakt gemäß Dubs (siehe Titelbild):
Gemälde von Peter Rüfenacht
wie kann sich dieses Mädchen
Miss World nennen
wenn schwarz und gelb ausgeschlossen
falls mongolisch negroid verdächtig sind
wenn Pygmäen Khoi und San unbeachtet bleiben
wenn Europäer definieren
was schön und miss-ig ist
wenn Gören bloss zackig kess und arschig
auf dem Laufsteg gehen
was mag das wohl für eine Welt noch sein
der kindische Mann
in dieser Welt
will ein Plüschtier
jungfräulich muss es sein
auch so bleibt es
ein Leben lang
Jungfrauplüsch
der blöde Mann
in dieser Welt
will eine Jungfrau
und selbst wenn
er sie entjungfert
bleibt sie für den Mann
seine Jungfrau
diese Männer
ob in der Schweizer Manier
kein Mann auf dieser Welt
will ein Fräulein haben
obwohl jeder von ihnen
die Jungfrau bald
als Fräulein weitergibt